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Regelbedarfsstufe 1 für volljährige Menschen mit Behinderung

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BSG, Urteile vom 23. Juli 2014 – B 8 SO 14/13 R; B 8 SO 12/13 R und B 8 SO 31/12 R

Von Christoph Esser

Das Bundessozialgericht hat in den Urteilen vom 23. Juli 2014 entschieden, dass nunmehr auch behinderten Menschen, die im Haushalt der Eltern, Angehöriger oder in einer Wohngemeinschaft leben, Grundsicherungsleistungen der Regelbedarfsstufe 1 zustehen. Dies entspricht nach den aktuellen Regelsätzen einer „Mehrleistung“ in Höhevon 78 Euro/Monat.

Bisher wurden grundsicherungsberechtigten „Haushaltsangehörigen“ Leistungen lediglich auf Grundlage der Regelbedarfsstufe 3 bewilligt. Dieser – von der Lebenshilfe seit Einführung der Regelbedarfsstufe 3 – kritisierten Zuordnung hat das Bundesozialgericht nun eine Absage erteilt: In den allermeisten Fällen haben die Leistungsberechtigten nunmehr Anspruch auf 393 Euro/Monat statt wie bisher 313 Euro/Monat (Stand: 2014).

Die Regelsätze in der Grundsicherung wurden zum 1. Januar 2011 im Zuge der Hartz-IV-Reformen neu geregelt: Es wurden 6 Regelbedarfsstufen eingeführt. Die höchste Leistung (Regelbedarfsstufe 1) erhalten volljährige Grundsicherungsberechtigte, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führen. Leistungsberechtigte, die keinen eigenen Haushalt führen, wurden bisher der Regelbedarfsstufe 3 zugeordnet. So erhielten Menschen mit Behinderung, die z.B. bei ihren Eltern oder Angehörigen leben, lediglich Leistungen der Regelbedarfsstufe 3. Die Sozialhilfeträger unterstellten seither, dass diese keinen eigenen Haushalt führen. Dieser Praxis hat das Bundessozialgericht nunmehr einen Riegel vorgeschoben: Für die Zuordnung zur Regelbedarfsstufe 1 ist damit nicht mehr entscheidend, ob ein eigener Haushalt vollständig oder teilweise geführt wird; es genügt, dass der Leistungsberechtigte einen eigenen Haushalt gemeinsam mit einer Person – z.B. seinen Eltern – führt. Ausreichend ist dabei ein Haushaltsbeitrag der den geistigen, seelischen und körperlichen Fähigkeiten des Menschen mit Behinderung entspricht. Lediglich wenn keinerlei Haushaltsführung durch den Grundsicherungsberechtigten festgestellt werden kann, bleibt es bei der Anwendung von Regelbedarfsstufe 3. Dafür trägt dann aber der Sozialhilfeträger die Beweislast. Im Ergebnis dürfte die Regelbedarfsstufe 3 damit in den dargestellten Situationen kaum noch Anwendung finden.

Grundsicherungsberechtigte Menschen mit Behinderung, die bisher Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 3 erhielten, weil sie mit Angehörigen in einem Haushalt oder mit Mitbewohnern in einer Wohngemeinschaft leben, haben grundsätzlich Anspruch auf die höheren Leistungen der Regelbedarfsstufe 1. Dies gilt in der Regel sogar rückwirkend!

Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Sozialhilfeträger die Rechtsprechung nicht sofort umsetzen werden, zumal die Urteile noch nicht veröffentlicht wurden. Betroffene, die Bescheide erhalten, die die Rechtsprechung nicht berücksichtigt, sollten daher Widerspruch gegen eine Eingruppierung in die Regelbedarfsstufe 3 einlegen.

Grundsicherungsberechtigte, die gegen ihre Bescheide (aus anderen Gründen) bereits Widerspruch eingelegt bzw. Klage erhoben haben, sollten im laufenden Widerspruchs- / Klageverfahren auf die geänderte Rechtsprechung aufmerksam machen, da die Bescheide in diesen Fällen ohnehin nicht rechtskräftig sind.

Da der Anspruch auf Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 3 zudem rückwirkend besteht, können betroffene Grundsicherungsberechtigte zudem sog. Überprüfungsanträge nach § 44 SGB X stellen.

Die Lebenshilfe NRW e.V. - Referat Recht steht für Rückfragen zur Verfügung. Die Berater in den Lebenshilfe Centern und anderen Einrichtungen und Diensten der Lebenshilfe NRW e.V. werden zudem um Rückmeldung gebeten, wenn es in der Umsetzung der neuen Rechtsprechung zu Problemen kommt.

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